Der Sozialgenial-Projektkurs der Jahrgangsstufe 11 des Städtischen Johannes-Sturmius-Gymnasiums Schleiden (JSG) unter der Leitung von Heike Schumacher und Angelika Schmitz, in dem fünf Schülerinnen und Schüler seit Beginn des Schuljahres 2023/24 mitwirken, befasste sich schon Wochen vor der Gedenkfeier in Gemünd mit deren Vorbereitung. Zusammen mit der Stadt Schleiden, der evangelischen Trinitatis Kirchengemeinde Schleidener Tal, der katholischen GdG, der Seelsorge Nationalpark Eifel und Vogelsang, dem Arbeitskreis JudiT.H Hellenthal, der Bürgerstiftung und der GfW der Stadt Schleiden wurde der „Weg der Erinnerung“ anlässlich des 85. Jahrestages der Reichspogromnacht in Gemünd am 09. November 2023 gestaltet.
Die Schülerinnen und Schüler des Projektkurses beschäftigten sich in erster Linie mit der Geschichte der einzelnen Jüdinnen und Juden, die einen Stolperstein in Gemünd in der Zeit von 2013 bis 2016 erhalten hatten. Dazu wurden viele personenbezogene Texte erstellt, die kurz, aber eindeutig diese einzigartigen Lebensgeschichten erzählen. Anschließend entwarf der Kurs das Einladungsplakat, das als Werbung für den „Weg der Erinnerung“ dienen sollte und im gesamten Stadtgebiet aufgehängt wurde. Auf dem Plakat ist die alte Gemünder Synagoge, die ein wichtiger Bestandteil des Gedenkwegs ist, abgebildet. Auch die Stolpersteine aus Gemünd sind symbolisch abgebildet, diese führen zum Ziel des Gedenkwegs, einer ökumenischen Gedenkveranstaltung in der katholischen Kirche Gemünd. Auch an der Organisation der Andacht dort beteiligten sich die Schülerinnen und Schüler.
Die Veranstaltung am 09. November begann um 18.00 Uhr am Marienplatz in Gemünd und wurde durch den Bürgermeister der Stadt Schleiden, Ingo Pfennings, mit einer Rede eingeleitet. Dabei wies er auf die besondere Aktualität der Gedenkveranstaltung vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts und der zunehmenden Gewalt gegenüber jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Deutschland hin. Die Schülerinnen und Schüler des Projektkurses lasen anschließend ein Gedenk-Gedicht vor, das auf die grauenhaften Taten des Holocaust verwies. Die Namen der Jüdinnen und Juden aus Gemünd wurden dabei einzeln aufgezählt. Danach begaben sich die insgesamt ca. 150 Teilnehmenden auf den eigentlichen Gedenkweg, der die Dreiborner Straße entlangführte. Viele verschiedene Mitwirkende der oben genannten Gruppen lasen eigene Texte zu den Stolpersteinen und den menschlichen Geschichten, die damit verbunden sind. Besonders nachdenklich stimmten die konkreten Schicksale wie Flucht, Vertreibung, Internierung in Sammellagern mit der Endstation der Deportation und Ermordung in den Vernichtungslagern. Jeder einzelne Stolperstein bekam anschließend eine weiße Rose und eine kleine brennende Kerze. Diese wurden sowohl von den Schülerinnen und Schülern des Projektkurses niedergelegt als auch von Schülerinnen und Schülern der Sozialgenial-Stolperstein-AG des JSG unter der Leitung von Heike Schumacher. An dieser AG nehmen Schülerinnen und Schüler verschiedener Jahrgangsstufen (6, 9, 10 und 12) teil. Sie trugen am 09. November Biografien zu Personen vor, für die ein Stolperstein verlegt worden war. Insgesamt gab es in Gemünd zehn Stationen, an denen Stolpersteine liegen und an denen Erinnerungs-Lesungen stattfanden.
Nach den letzten Stolpersteinen an der Kölner Straße/Aachener Straße folgte der Gang zur ehemaligen Synagoge von Gemünd, an dessen Ort sich nun ein einfacher Parkplatz befindet.
Norbert Stoffers, der die meisten Lebensgeschichten der Juden und Jüdinnen aus Gemünd recherchiert und zusammengetragen hat, trug einen Bericht eines Augenzeugen des Synagogenbrandes 1938 vor. Der Sohn eines damaligen Feuerwehrmannes hatte gefragt, warum der Vater nicht die brennende Synagoge lösche, und als Antwort erhalten, dass die umliegenden Häuser vor dem Brand geschützt werden sollten.
Die Synagoge wurde dabei völlig zerstört und 1942 abgerissen, weshalb sie nun gar nicht mehr existiert. Die Stadt Schleiden stellte 1979 eine Gedenktafel auf, die auf die ehemalige Synagoge verweist.
Bürgermeister Ingo Pfennings machte in seiner Rede am Ort der Synagoge deutlich, dass auf der Gedenktafel die Ereignisse des Holocaust beschönigt dargestellt würden. Denn dort stehe nur, dass die Jüdinnen und Juden Gemünds während des Dritten Reiches ihr Leben verloren hätten. Man müsse aber von der Ermordung der jüdischen Mitbürger sprechen. Er wolle daher eine Änderung der Inschrift initiieren.
Nach dem Weg der Erinnerung ging es zur ökumenischen Andacht in die katholische Kirche St. Nikolaus in Gemünd. Die Gedenkveranstaltung wurde dort von dem evangelischen Pfarrer Erik Schumacher und dem katholischen Diakon Klaus Hövel geleitet und mit musikalischen Beiträgen umrahmt.
Die Schülerinnen und Schüler des JSG lasen hierbei die Briefauszüge der Familie Kaufmann vor, deren Nachfahren mit Heike Schumacher vom JSG Kontakt halten. Die Großeltern der Enkel, mit denen der briefliche Austausch besteht, waren jüdische Schüler des damaligen Realprogymnasiums in Schleiden, des heutigen JSG Schleiden. Sie immigrierten noch in ihrer Kindheit nach Brasilien, um dort eine sichere Zukunft haben zu können. Auch die Briefauszüge zwischen der Familie Kaufmann und ihrer Nachbarin in Gemünd, Hedwig Knott, wurden von den Schülerinnen und Schülern des Projektkurses eindrücklich vorgelesen.
Insgesamt war die Gedenkveranstaltung feierlich und berührend. Gerade in der Zeit von Unsicherheit und wachsendem Antisemitismus hier in Deutschland wurde sie zu einem wichtigen, bei uns im Kreis Euskirchen gesetzten Zeichen, das auch insofern besonders war, als Schülerinnen und Schüler des Sozialgenial-Projektkurses und der Sozialgenial-Stolperstein-AG daran teilnahmen und so als Jugendliche ihr bürgerschaftliches Engagement zeigten.
Weitere Informationen zum Sozialgenial-Projektkurs sind hier zu finden.
Text: Christian Baran, 11. Klasse JSG